In flagranti mit einem Clown

Wer verliert gewinntKritik der Braunschweiger Zeitung
vom 08.12.2014
von Christoph Braun
zum Stück „Wer verliert, gewinnt„:

 

Gerade ist der (weibliche) Clown dabei, auf einer Gartenliege komische Bewegungen zu machen und „Hilfe!“ zu rufen. Marsha Bates heißt die Clownin im fast ausgezogenen Kostüm, und sie ist nicht alleine: Unter ihr drückt sich Charlie Conrad in die Liege. Sein Beruf: Promi. Dumme Situation, denn soeben kehrt Charlies Ehefrau Linzi vom Kuchenessen zurück.


In Linzis Schlepptau befinden sich Charlies Manager Jason Ratcliffe und auch noch der als Fertigmacher berühmte TV-Journalist Dale Gilchrist. Die Lage ist nicht verfahren, sondern scheinbar eindeutig: Charlie Conrad wird in „Wer verliert, gewinnt„, einem Stück des zeitgenössischen Dramatikers Sir Alan Ayckbourn, in flagranti mit einem Clown erwischt. Und Marsha, die den Clown spielt, weiß die Lage zu nutzen. Sie verklagt Charlie wegen sexueller Belästigung.Das Theater Fanferlüsch zeigt „Wer verliert, gewinnt“ im Roten Saal des Schlosses. Das Ensemble kommt mit einigen wenigen Objekten auf der Bühne aus, einer Turm-Kulisse, ein paar Möbeln, alles ganz realistisch.

So wie auch die Kostüme: die Ehefrau leicht aufgebrezelt in Pumps und zu viel Make-Up, Hauptfigur Charlie in weißem Hemd auf beiger Hose. Er ist ja auch so ein leeres Blatt Papier: Mit seiner Karriere ging es einst bergauf, als er in einer Quiz-Show das schlechteste Ergebnis überhaupt erzielte. Seitdem ist er der sympathische Verlierer, der sich von seinem Manager Jason manipulieren lässt.

Anfangs wirken diese Figuren furchtbar mechanisch und klischeehaft. Doch gehört es gerade zu den Stärken des Stücks, dass bis auf Ausnahme des Clowns Marsha alle Charaktere mit zunehmendem Verlauf an Widersprüchlichkeit gewinnen.

Charlie selbst etwa verrät mehr und mehr, wie sehr er selbst seine eigenen Schwächen zu nutzen weiß und dass er durchaus strategisch zu handeln vermag. Oder seine Ehefrau: Die wirkt am Anfang nur wie die x-te frustrierte Star-Gattin – später gewinnt sie.

Nur Animateurin Marsha wird leider von Autor Ayckbourn im Stich gelassen. Anfangs pendelt sie zwischen ihrem schüchternen Ich und dem Rowdytum ihrer Clownsfigur hin und her. Dann verleumdet sie Charlie wegen sexueller Belästigung, obwohl sie eigentlich nur ein Autogramm auf die Innenseite ihres Oberschenkels wollte. Aber Ayckbourn versäumt es, ihr ein Motiv für die Verleumdung zu geben.

Schade gerade auch für die Aufführung des Theaters Fanferlüsch: Denn innerhalb eines Amateur-Ensembles von erstaunlichem Niveau spielt Sonja Wolf ihre Marsha ganz fantastisch. Sie hat keine Furcht, sich ganz in die Schüchternheit Marshas zu stürzen oder alle Albernheiten des Pantomime-Clowns Marsha zu zeigen.

In ihrem Gefolge zeigen auch Henry Walczyk als lieber Loser Charlie oder Wolfram Ludwig als ehrgeiziger Journalist Dale Gilchrist eindrucksvolle Spielanlagen.

Wunderbare Theater-Unterhaltung.

veröffentlicht am von fanferluesch