Ein Drama, das nachdenklich macht

Nazis im Herzen oder Kriegsverlierer in Uniform? Kommissar von Amwege (Carsten Schrödter, Mitte) und sein Team Rolf Beilke (Nikolai Radke) und Erika Kessler (Daniela Willke). (Foto: Peter Sierigk)

Nazis im Herzen oder Kriegsverlierer in Uniform? Kommissar von Amwege (Carsten Schrödter, Mitte) und sein Team Rolf Beilke (Nikolai Radke) und Erika Kessler (Daniela Willke).
(Foto: Peter Sierigk)

Kritik der Braunschweiger Zeitung
vom 01.06.2004
von Karsten Mentasti
zum Stück „Die Brandopfer„:

 

Theatergruppe Fanferlüsch wagte sich in der Brücke mit „Die Brandopfer“ an schwieriges Thema heran

Ein schwieriger Stoff, dem sich die freie Theatergruppe Fanferlüsch und ihr Regisseur und Autor Markus Wiegand gestellt haben. „Die Brandopfer„, zweite abendfüllende Eigenproduktion von Fanferlüsch in der Theatersaison 2003/2004, spielt im Juli 1944, im Dirtten Reich. Der missglückte Attentatsversuch von Widerstandskämpfern auf Adolf Hitler bildet in dem fünfaktigen Drama von Wiegand den geschichtlichen Hintergrund.

Hauptsächlich geht es dem Autor aber um das Wissen und Nichtwissen der Deutschen um die Machenschaften der Nationalsozialisten, um Wahrheit und Selbstbetrug. „Viele Bürger der Bundesrepublik“, so Wiegand, „glauben ernsthaft, dass sie im Dritten Reich im Widerstand gewesen wären.“ Er selber habe mit diesem Stück gegen seine Angst anschreiben wollen vor der Ungewissheit, wie er damals als deutscher Reichsangehöriger reagiert hätte.

Kampf ums Überleben

Es gelang sowohl dem Autoren als auch den acht Darstellern, die Zuschauer nachdenklich zu machen. Darüber, dass es unter Bedrohung durch Krieg und Nazi-Maschinerie, aber auch im stetigen Kampf ums Überleben nicht leicht gewesen wäre, Widerstand zu leisten. Aber es wurde auch deutlich, dass Unwissenheit kein Argument sein konnte, um nach Kriegsende Mitläufertum zu kaschieren.

Viel Mühe hatte sich die Theatergruppe mit der Bühnenausstattung gegeben. Einfach gehalten zwar, aber mit größtmöglicher Authentizität. Bei der Aufklärung des Mordes an einer Leiche, die aus der Spree gefischt wird, geht es für das Team um Kommissar Amwege (Carsten Schrödter) nach einem Zusammentreffen mit Heinrich Himmler (Stefan Damm) plötzlich um Leben oder Tod. Der Tote war SS-Spitzel bei dem Industriellen Wilhelm Meinhardt (Wolfram Lührig). Dessen entscheidende Rolle in dem Stück wird erst spät deutlich.

Überzogene Dramatik

Dafür ist allerdings nicht allein die Dramaturgie verantwortlich. Vielmehr wäre ein selbstbewussteres, energisches Auftreten des Generaldirektors Meinhardt angebracht.
Das Stück, das Freitag Premiere hatte und im Kulturinstitut „Brücke“ noch am 5., 6., 11. und 12. Juni, 20 Uhr, aufgeführt wird, hat auch eine dramaturgische Schwäche. Anhand des Hauptdarstellers, des von Schrödter großartig interpretierten Kommissars, wird das Hin- und Hergerissensein zwischen Nazi-Antipathie und Staatsdienertreue mit eingeimpften braunen Parolen am deutlichsten.
Dass der Polizist im Zuge seiner Ermittlungen allerdings plötzlich auf die Füße von Meinhardts Tochter Lena (Jana-Alette Thiele) zielt und auch noch trifft, wirkt aber deutlich überzogen. Diese Eskalation wäre für die Dramatik der Rolle nicht nötig gewesen.
Bis auf diese Übertreibung im entscheidenden Akt ist „Die Brandopfer“ allerdings eine durchaus gelungene Eigenproduktion mit fast durchweg bemerkenswerten darstellerischen Leistungen.

(c) Archiv Braunschweiger Zeitung vom 01.06.2004

veröffentlicht am von fanferluesch