Kritik der Braunschweiger Zeitung
vom 08.01.2001
von Charles Benecke
zum Stück „Das Gespenst von Canterville„:
Turbulent, aber mit Zwischentönen
Am Ende hielt es Ministerpräsident Sigmar Gabriel nicht mehr auf dem Sitz: Wie das gesamte Premierenpublikum beklatschte er stehend die Komödie „Das Gespenst von Canterville“ in der ausverkauften „Brücke“. Frei nach einer Vorlage von Oscar Wilde schrieb der Braunschweiger Autor Markus Wiegand die Komödie, die in seiner Regie am Samstag mit der Theatergruppe „Fanferlüsch“ als Uraufführung ihre Premiere hatte. Auf Schloss Canterville geht es seit dem 16. Jahrhundert nicht mehr mit rechten Dingen zu, denn Sir Simon de Canterville kommt nicht zur ersehnten Totenruhe. Angestachelt von dem intriganten Sir Geoffrey de Malvoisin hatte Canterville in einem Anfall von Eifersucht und Raserei seine Ehefrau Eleonore erstochen, und dafür ist er verdammt, nachts durch die Räume zu geistern. Obwohl Lord Canterville der Spätere (Stefan Damm) und seine Bediensteten Ellie und Benson Waters (Sonja Masbaum und Volker Wolf) alles tun, die Geschichte unter der Decke des Schweigens zu halten, gelingt es ihm nicht, das Schloss zu verkaufen. Doch endlich hat er Glück, denn die amerikanische Familie Otis ist von Gespenstergeschichten allgemein nicht beeindruckt und erwirbt das Anwesen mitsamt dem friedlosen Geist.
Gemäß seiner Bestimmung erscheint Sir Simon, dessen Bild den Kamin ziert, den halbwüchsigen Söhnen und wahren Vertretern der aufmüpfigen „Fun-Generation“, John und William Otis (Nikolai Radke, Tobias Tank), die in ihrer Ignoranz dem Spuk durch Pfählen nach Art der Vampirtötung ein Ende bereiten wollen. Allein die Tochter Virginia (Verena Niesmann), die sich inzwischen in George (Florian Henk), den stets mit einem Schwert bewaffneten Nachfahren des intriganten de Malvoisin, verliebt hat, empfindet zartes Mitleid für den ruhelosen Geist. Irgendwann kommt es zum schwertklirrenden, furiosen Zweikampf zwischen George und Sir Simon, doch Virginia wirft sich dazwischen, und weil das Prinzip „nur die Liebe zählt“ den rachedurstigen Geist besänftigt, ist auch er schließlich von seinen Umtrieben erlöst.
Der Autor und Regisseur hat die Komödie für seine motivierte Truppe mit turbulenten und teils akrobatischen Szenen (Schwertkampf wie in Hollywood oder der Tanz der Söhne zum Rocktitel „Highway to Hell“) lebendig und munter inszeniert, wobei er den überzeugend von Carsten Schrödter (Sir Simon) und Verena Niesmann (Virginia Otis) gespielten Rollen Raum für nuancierte Zwischentöne ließ. Weitere Vorstellungen…
(c) Archiv Braunschweiger Zeitung vom 08.01.2001