Zur Gründung von Theater Fanferlüsch

THEATER FANFERLÜSCH
Ein (persönlicher) Rückblick wider den Ernst

Die Geburt von Theater Fanferlüsch begann an dem Tag, als meine Mutter mir einen selbstgebastelten Papphammer und einen weißen Wattebart in die Hand drückte, und mir – wider besseren Wissen – versicherte, ich sehe damit wirklich wie ein Zwerg aus. Dann brachte sie mich zu unserer Dorfbühne, wo ich mich keine zehn Minuten später auf der Bühne wiederfand, als eine der sieben wichtigsten Nebenrollen in „Schneewittchen“. Nach dieser Aufführung, die selbst den begeisterungsfähigsten Zuschauer das Grauen gelehrt hätte, war ich der festen Überzeugung, meine junge Karriere zu beenden.

Natürlich kam es anders.

In der Orientierungsstufe wurde ich wiederum in die sogenannte Theater-AG verbannt, obwohl ich eigentlich Handball spielen wollte. Und dabei hatte ich noch Glück: das Jahr zuvor war ich zwangsweise in der Koch-AG. Wenn Sie schon mal Ihre ersten nicht-gewollten Kochversuche auch essen mussten, werden Sie verstehen können, warum ich fand, das meine Position sich deutlich verbessert hatte. Allerdings war ich immer noch der Meinung, das es bedeutend aufregender sein würde, einen Ball in ein Tor zu werfen, als auf der Bühne zu stehen.

Auf dem Gymnasium war ich schon wieder in der Theater-AG – diesmal aber aus egoistischen Gründen. Erstens: da die Busverbindungen zu dem kleinen Weiler aus dem ich kam, so geplant waren, das man mehrere Stunden ziellos durch Braunschweig wandern konnte, kam ich als bequemer Mensch auf den Gedanken, die Schule erst gar nicht zu verlassen. Was bedeutete, sich den diversen (sprich drei!) Arbeitsgemeinschaften anzuschließen. Zwei dieser AGs waren naturwissenschaftlich, die letzte war die schon genannte Theater-AG. Und das führt direkt zu Zweitens: Da waren Mädchen. Der Anteil des Schönen Geschlechtes an den Physik- und Chemie-AGs konnte man sicherlich nur in Promille errechnen. Das war in der Theater-AG ganz anders.
Nicht dass mir das irgendwie geholfen hätte, aber der Mensch lebt ja bekanntlicherweise nicht nur vom Brot allein. Tatsächlich war es so, dass sich das Verhältnis von Mädchen zu Knaben auf 13 : 1 belief. Diese Bretter bedeuteten wirklich die Welt.
Scherz beiseite. Erst in dieser Zeit entwickelte ich so etwas wie Interesse am Theater.

Nun kam es allerdings so, das die Zielsetzung jener AG es war, möglichst viele Interessierte in einem Theaterstück unterzubringen, worunter die Qualität der Arbeit selbstverständlich litt. Man kann ein Orchester nicht ausschließlich mit Virtuosen an der Triangel bestücken.

An diesem Tag erblickte „Fanferlüsch“ das Licht der Welt. Wenn auch zögerlich. Denn ursächlich waren wir anfangs zehn junge Leute, die Spaß haben wollten – und nebenbei fiel sozusagen Theater ab.

Und dann gingen wir Schritt für Schritt.

Wir bestanden unsere Feuertaufe im Mai 1988, spielten als erstes freies Theater in der NOCH-DDR 1989 und inszenieren immer noch jedes Jahr ein neues, abendfüllendes Theaterstück.

Letztes Jahr – während einer der Aufführungen der „Musketiere“ – hatte ich ein paar Minuten Zeit zwischen meinen Auftritten und  blickte durch einen Seitenaufgang auf die Bühne: ein 25-Mann-Ensemble in historischen Kostümen, eigens für das Stück komponierte Musik, eine Schwertkampf-Choreographie, die jeden Vergleich aushält – und ich dachte bei mir: Es ist ein langer Weg von unserer ersten Probe 1987 im Wohnzimmer von Malte Krug’s Elternhaus bis hierher. Und ich erinnerte mich – während auf der Bühne die dramatische Verwicklung der Charaktere ihrem Höhepunkt zustrebte – wie unsere erste Darstellerin, die jemals bei uns mitspielte, mir sagte, ihr Lieblingsschauspieler sei Bud Spencer.

Und das führt mich zu meiner Wahrheit über „Fanferlüsch“: Wenn sie Sport machen wollen, lassen Sie sich niemals von ihrer Mutter einen Papphammer geben.  Sie lernen nur Leute kennen, die auf Bud Spencer stehen.

In dubio curre

Markus Wiegand
(im Oktober 2000)